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Montag, 11. Mai 2020

Tourneur, Katzenmenschen. Teil 5

























"Was ich gemacht habe, das sind Filme über das Übernatürliche. Und ich habe sie gemacht, weil ich an seine Existenz glaube." - Jacques Tourneur [1]

Anders als Larry Talbot in THE WOLF MAN (1941), "who found redemption in death, being returned to his human form, Irena reverts to corruption, giving events a final, more tragic, twist" (Dyson, 121). Nicht das getötete "Monster" wird wieder menschlich im Moment des Todes, sondern das menschliche Selbst transformiert ins Animalische. Die Verse John Donnes weisen auf die zwei "Welten", die unvereinbar in Irena lebten und wegen ihrer Unvereinbarkeit beide zum Untergang verdammt waren. Zahlreich sind die Gewagtheiten des Films, deren Art der Darstellung so subtil ist, daß sie als Gewagtheiten kaum wahrgenommen werden; nicht zuletzt liegt, genaugenommen, "plot resolution through suicide" (Newman, 62) vor, was der Production Code verbot. Irena muß sterben, nicht für einen bewußt bösartigen Akt; eher dafür, daß sie Angst vor einer unbekannten, geheimnisvollen Sinnlichkeit geweckt hat, dafür, daß sie sich nicht in die konventionelle soziale wie erotische Norm fügt.

Irenas King-John-Statue und ihre Zeichnungen von schwertdurchbohrten Panthern verraten ihren Wunsch, daß ihr Fluch besiegt werden möge. Sie ist heimgesucht, verfolgt, entfremdet, verflucht, und sie gerät an die Falschen, aber sie ist nicht böse. Aus Empathie mit ihrem Drama vergeben wir ihr jede ihrer Handlungen: wenn sie ihrem Pantherfreund einen toten Kanarienvogel vorwirft, erst recht, wenn sie auf Heuchelei, Unverständnis, Mißbrauch ihres Vertrauens und schließlich sexuellen Übergriff reagiert. Sie ist nicht der mörderische Täter, sondern das ultimative Opfer des Films; sie bleibt der Charakter, um den wir uns sorgen, und sie ist der Charakter, den wir betrauern.

Das Verhalten und die Motive derer, die ihr nahekommen – Oliver, Alice, Dr. Judd – sind durchweg mehr als fragwürdig. "What lies behind a brownstone front" – daß die Fassade täuscht, gilt für diese drei mindestens so wie für Irena.

Oliver Reed mag zunächst einnehmend wirken, aber je mehr man von ihm sieht, um so weniger kann man ihn mögen: hilflos und, schlimmer noch, unwillig steht er vor dem ersten sign of trouble in seinem Leben. Er nähert sich Irena mit der Gewißheit, alles zu bekommen, worauf sein Blick fällt, drängt sie zur Hochzeit und rempelt durch ihre Ängste, die er als abergläubischen Unsinn abtut. Irena folgt ihm, weil sie sich einen Ausweg aus einem Leben voller Zweifel an ihrem Wesen erhofft. Dann bekommt Oliver von Irena eines nicht: Sex. Darauf wendet er sich enttäuscht ab. Die Frage ist: geht es dabei primär um den Mangel an Sex, oder primär darum, daß er zum ersten Mal etwas nicht bekommen hat? Oliver ist Designer; jemand, der Imagination nur im Büro benutzt, und nur, um damit Dinge zu bauen. Er ist square. Das Wort kann rechtwinklig bedeuten, aber auch Spießer. Er ist in seinem Job zuhause. In den Szenen, die in Irenas Apartment spielen, wirkt er wie ein Langweiler, der mit sich oder mit Irena nichts anzufangen weiß, blind für die wahre Natur der Erotik, die Natur wahrer Erotik. Als er sich Irena näherte, hat er sich verlaufen. Er wird sein Leben lang Apple Pie essen und voller Narrenglück kleine Masten auf Schiffsmodelle stecken.

Wenn dem Schauspieler Kent Smith "hölzernes Agieren" vorgeworfen wird, ist der Punkt haarscharf verfehlt, den Smith, ein erfahrener Theaterschauspieler, genau getroffen hat: zu zeigen, was für ein fades Etwas der gutaussehende all-American hero ist, der ebenso "straighte" wie seichte Kerl, der ohne rechte Legitimation so auftritt, als wäre das Leben ein Selbstbedienungsladen. Das Publikum sieht einen relativ gutaussehenden Helden, also erwartet es das Verhalten eines relativ gutaussehenden Helden; Oliver Reed liefert es jedoch nicht ab, und Kent Smith wird dafür die Schuld in die Schuhe geschoben. Das ist falsch; Smith demonstriert, wie der gutaussehende Held nur die Rolle des gutaussehenden Helden spielt. Lewton, Tourneur und Kent Smith verspotten in Oliver Reed einen bestimmten Typus.

Alice, für ihren Teil, ist sich sehr bewußt über die Art und Weise, in der sie Olivers Ehe unterminiert. Alles, was ihr in Irenas Gegenwart "herausrutscht", ist wohlüberlegt, ihr Tränenvergießen ist Taktik, und die verschwörerische Zeit, die sie mit einem frisch verheirateten Mann verbringt, spricht Bände. Dr. Judd schließlich ist so faszinierend unsympathisch, daß man schon aus Protest gegen ihn geneigt ist, seine Methodik abzulehnen und das Übernatürliche zu akzeptieren. Er ist eindeutig in seinen Avancen und doch seltsam zweideutig. Mit Irena hat Dr. Judd immerhin eines gemeinsam: in einer Gesellschaft, die stolz auf ihre eigene "Normalität" zu blicken gewillt ist, muß auch er als ein beunruhigender Repräsentant der Raffinesse und Dekadenz der Alten Welt rezipiert werden. Und darum muß auch er den Film tot verlassen.

Bemerkenswert ist übrigens, daß nur Irena, die Exilantin und Fremde, ein Refugium hat, das sie ihr eigen nennen kann. Alice bewohnt ein Zimmer im YWCA, Dr. Judd lebt, wenn er sich nicht gerade in seinem Büro aufhält, im Hotel ("I called your hotel", sagt Alice zu ihm am Telefon); wie und wo Oliver wohnt, bevor er bei Irena einzieht, bleibt ein völliges Rätsel.

DeWitt Bodeen, der Drehbuchautor, erinnert sich, wie auch hartgesottenes Publikum von der dunklen Magie des Films erfaßt wurde: "There were gasps and some screaming as the shock sequences grew. The audience accepted and believed our story and was enchanted." (zit. in: Dyson, 121). Menschen sahen sich den Film ein zweites und drittes Mal an; der Film brach Rekorde im Rialto in New York, und im Hawaii Theatre in Hollywood, wo er 13 Wochen lief: "This was unheard of for a cheap B-movie" (Dyson, 121). Dyson zitiert als Erklärung für den Erfolg des Films, der die bereits scheintote RKO wieder zu Leben erweckte, die Aussage Robin Woods: "Audiences responded to being treated like adults, and this was one of the first Hollywood movies to foreground the topic of sexuality in such an unashamed manner. Of course this isn't the only factor in its box-office success. The film is genuinely frightening, brilliantly made and completely different from anything that had come before it (...)" (zit. in: Dyson, 122).

Geoffrey O'Brien schreibt in "Cat People: Darkness Betrayed": "The actual supernatural menace in Cat People—which takes a long time to arrive—in a way comes as a relief from watching the painful disintegration of Irena and Oliver's relationship. Rarely had a Hollywood film of any genre so elliptically yet vividly expressed a fundamental inability to connect, a wounding sexual grief manifested in moods of frustration, mistrust, irritation, appeasement, yearning, hapless fascination, unbreachable depression. It is an intimate story about the terrors of intimacy. No mere otherworldly horror could match the shot of Oliver turning away in sheer incapacity, lighting a cigarette while Irena is attempting to convey the depth of her anguish." [2]

Ein Film mit dem scheinbar so bizarren Titel CAT PEOPLE bestätigte auf so ernsthafte wie berührende Weise: Liebesbeziehungen sind eine schwierige Angelegenheit.

Newman zitiert ein Memo Val Lewtons, das einen ersten Entwurf der letzten Szene enthält: "For the final scene, I'd like to show a violent quarrel between the man and woman in which she is provoked into an assault upon him. To protect himself, he pushes her away, she stumbles, falls awkwardly, and breaks her neck in the fall. The young man, horrified, kneels to see if he can feel her heart beat. Under his hand black hair and hide come up and he draws back to look in horror at a dead, black panther." (zit. in: Newman, 11). Irena als Panther ist dann in der letzten Szene zwar nicht deutlich zu sehen, aber die Deutlichkeit dessen, was zu sehen wäre, wenn etwas zu sehen wäre, steht trotzdem vor Augen.

Linaweaver bemerkt noch 1995 eine Kontinuität des Versuchs, den Film anders sehen zu wollen, als er ist: "(...) it should be noted that though materialistic explanations for the film's weird events are continuously offered, by the fade-out everyone has been forced to accept the reality of the supernatural (...)" (Linaweaver, 6).

Ähnlich Newman 1999: Dies ist nicht – "though many commentators have said it is or ought to be – a respectable psychological study of a woman with a neurosis; Cat People is a horror film about a woman who turns into a panther" (Newman, 36). In kontinuierlicher Folge hatten die Ereignisse auf der Leinwand den Erklärungen, mit denen die Existenz des Übernatürlichen bestritten werden sollte, bereits widersprochen, indes auf einer subtilen, nicht ausformulierten Ebene. "Irena's transformation takes on the aura of a holy of holies not to be profaned by being filmed" [2], indes, nochmals: am Ende bleibt nur das Akzeptieren des Übernatürlichen.

Hans Schifferle, der den Film ein "Kleinod dunkler Träume" nennt, getaucht in eine "Atmosphäre von Gefahr und Unterdrückung, von Schönheit und Traurigkeit", hat zu den Versen John Donnes eine Variante ausgesucht:

"Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe / so müd geworden, daß er nichts mehr hält. / Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe / und hinter tausend Stäben keine Welt." (Rainer Maria Rilke, Der Panther, zit. in: Schifferle, 86).

Irena ersehnt, daß Oliver die Furcht in ihr verlöschen läßt; am Ende bleibt die quälende Frage, ob Liebe, eine Geste absoluten Vertrauens, ein Willensakt, eine Erotik machtvoller als die Macht in ihr, ob irgend etwas den Horror, der in Irena lauerte, verhindert hätte: die Metamorphose in etwas Nichtmenschliches, den vollständigen Verlust der Kontrolle über das Ich und den Körper.

Im Unterschied zu manch anderem Horrorfilm der "klassischen" Aera enthält CAT PEOPLE Sequenzen, die noch immer als "some of the most chillingly satisfying sequences of horrific cinema" (Pacific Film Archive) gelten können. Trotz dieses Potentials, so muß man beinahe formulieren, gilt für CAT PEOPLE wie für kaum einen anderen klassischen Horrorfilm: was früher Horror war, ist heute große Poesie. Der Film verliert sein Geheimnis nicht: "each viewing has revealed some new aspect, some unnoticed detail carefully crafted, some resonance perhaps unintended (...)" (Newman, 73). Und eben dies gehört zu den Kennzeichen großer Poesie.

CAT PEOPLE, sagt Robert Zion,

"... ist vielleicht sogar mehr als nur ein Film. Man könnte den Film ein visuelles Gedicht nennen, die vielleicht schönste Liebeserklärung an die Frau, die jemals von einer Gruppe von Männern - Produzent Val Lewton, Regisseur Jacques Tourneur, Kameramann Nicholas Musuraca, Drehbuchautor DeWitt Bodeen, Cutter Mark Robson, Komponist Roy Webb - auf die Leinwand gebracht wurde." [3].
















[1] Jacques Tourneur, zit. in: Arthaus Collection Klassiker - 11 [DVD]
[2] Geoffrey O'Brien, Cat People: Darkness Betrayed. On Film / Essays - Sep 20, 2016 -- https://www.criterion.com/current/posts/4228-cat-people-darkness-betrayed
[3] Filmblog von Robert Zion: http://filmblog.robert-zion.de/cat-people-1942-von-jacques-tourneur


Literatur:

Dyson, Jeremy: Bright Darkness. The Lost Art of the Supernatural Horror Film, London 1997.
Linaweaver, Brad: Spiritual Terror - The Horror Films of Val Lewton, in: Wonder Magazine # 11, Atlanta 1995.
Newman, Kim: Cat People, London 1999 (BFI Film Classics).
Schifferle, Hans: Die 100 besten Horrorfilme, München 1994.



























Dienstag, 5. Mai 2020

Tourneur, Katzenmenschen. Teil 4




















Nacht. Irena liegt schlafend in ihrem Bett. Es folgt eine Sequenz, die Irenas (Alb-)Traum bebildert. Eine verschwommene, sich drehende Spirale, aus deren Zentrum – im Zeichentrickverfahren produzierte – schwarze Panther auftauchen, halb furchterregend, halb Art Deco-Schönheit. Fragmente aus den Diagnosen Dr. Judds ("There is in some cases a psychic need to loose evil upon the world"), wiederholen sich auf der Tonspur. Dann taucht das Bild des Doktors auf, er ist gekleidet als King John, der Ritter mit dem Schwert, der Serbien von den Katzenmenschen befreite. Er zieht das Schwert und hält es waagrecht empor; in einer Überblendung wird daraus ein großer Schlüssel – jener Schlüssel, den Irena im Schloß des Pantherkäfigs stecken sah – ihr Mittel, das "Böse", die große schwarze Katze, auf die Welt loszulassen. Irena schreckt aus ihrem Traum auf; die Kamera zieht abrupt von ihr weg.

Für Robin Wood ist dies "one of the finest dream sequences in the cinema because it's so packed, complex and suggestive" (zit. in: Dyson, 116) – "again all the more notable for its presence in a B-movie" (ebd.). Offensichtlich ist der Einfluß auch dieser Szene auf Hitchcock (VERTIGO).

Am nächsten Tag ist Irena wieder im Zoo; im schwarzen Pelzmantel natürlich, und dieses Mal, wie zur Tarnung, mit einer artigen weissen Tüllschleife. Sie zieht den erwartungsgemäß erneut vergessenen Schlüssel rasch aus dem Schloß und verbirgt ihn in ihrer Handtasche. Der Panther, der gerade ein Stück Fleisch verschlingt, blickt dabei – seltsam verstehend – zu ihr auf. Als Irena davoneilt, blicken ihr die Pantheraugen nach; die Gleichen erkennen sich.

Zunächst hatte Irena nur vermutet, nur Angst davor gehabt, daß sie zu den Katzenmenschen gehört; in der Central Park-Szene hat sie sich transformiert und Lebewesen getötet; sie weiß jetzt, was sie ist. Ihr Schluchzen im Bad ist erklärbar durch Schrecken wie durch Schuldgefühl; der Traum und der Schlüsseldiebstahl jedoch suggerieren "the growing dominance of her cat personality, and the next time she changes, it will be a deliberate act, intended to frighten her rival" (Newman, 47).

Durch eine Überblendung wird der Panther aus dem Zoo zu einer panthergleichen Gestalt, die als Galeonsfigur am Modell eines Kriegsschiffes zu sehen ist, in jenem Museum, in dem Irena, Oliver und Alice einen Nachmittag in einer maritimen Ausstellung verbringen. Mit spitzem Tonfall äußert Alice: "I'm afraid this is dull for Irena!" – obwohl Irena gerade besagtes Schiffsmodell äußerst interessiert betrachtet hat. Um Irena loszuwerden, stimmt Oliver ein: "Look, darling, there's some beautiful moderns upstairs. Why don't you take a look at them?" – Seltsame Umkehrung: Oliver und Alice, die "Modernen", schlagen der mit einem intensiven Bezug zur Vergangenheit ausgestatteten Irena vor, sich die "beautiful moderns" anzusehen, die sie doch mehr interessieren müssten. Irena will nicht abgeschoben werden: "But I like these little boats! I want to be with you. Don't send me away." – "We're not sendin' you away, we just don't want you to be bored!" – Wieder ist Irena mit jenem "Wir" konfrontiert, das Alice und Oliver, der jedes seiner Versprechen im nächsten Augenblick schon wieder vergessen hat, nicht mehr verheimlichen vor ihr. "By now it is clear that Alice and Oliver are on the verge of being a couple" (Dyson, 117).

Langsam geht Irena davon, zu der Außenseiterin erklärt, die sie von Anfang an war. Nachlässig ruft Oliver ihr noch über die Schulter zu: "We meet you in the main lobby, in an hour". Irena muß noch sehen, wie Oliver und Alice vor einem Bild die Köpfe zusammenstecken: "Ollie! Look! A drawing of the Victory!" Zurückgestoßen und gedemütigt schreitet Irena eine Treppe hinab, dem Ausgang des Museums zu, doch hält dann inne, bei einer großen, schwarzen, alt-ägyptischen Statue: ein Abbild des schakalköpfigen Anubis. Dyson erkennt hier eine "statue of a cat" (Dyson, 117). Tatsächlich ist es aber ein Anubis. An dieser Stelle ist vielleicht der Hinweis erlaubt, daß CAT PEOPLE für das lächerliche Budget von etwa $134.000 in drei Wochen, zwischen dem 28. Juli und dem 21. August 1942, gedreht wurde (Simone Simon: "Either we rehearsed once and we shot twice, or we rehearsed twice and we shot once" – Frumkes, 83). Daß die RKO Production No. 386 ein B-Movie war, erklärt vielleicht den Anubis: "(...) perhaps (...) the RKO props department didn't have a cat-headed Bubastis in stock (...)" (Newman, 48). Aber auch die Gestalt des Anubis ist halb Tier, halb Mensch.

Zögernd blickt Irena noch einmal hinauf. Die Nähe des Mischwesens scheint ihr Mut zu geben und sie in einem Entschluß zu bestärken. Mit energischen Schritten eilt sie die Treppe hinab und verläßt das Museum – gewillt, ihre "cat powers" (Newman, 48) einzusetzen.

Nach ihrem Museumsbesuch teilen Oliver und Alice ein Taxi, das Alice beim YWCA absetzt, wo sie offenbar wohnt. Sie bittet die Rezeptionistin um den Schlüssel für das Schwimmbad im Keller und nimmt ein kleines schwarzes Kätzchen in die Hände, das auf dem Schreibtisch sitzt: "Oh, what a darling kitten!" Es ist schon das zweite Mal, daß Alice entzückt ein Kätzchen auf den Arm nimmt. Alice geht durch eine Tür nach unten, zum Umkleideraum, während auf dem Schreibtisch das Telefon klingelt und die Rezeptionistin den Hörer abnimmt. Das Kätzchen huscht durch dieselbe Tür wie Alice. Die Erinnerung daran, daß Katzen auch klein und niedlich sein können, wird sofort wieder wirkungslos gemacht: Irena ist ihrer Rivalin gefolgt. Sie fragt die telefonierende Rezeptionistin "Is Miss Moore in?" und erhält einen Wink in Richtung Kellertreppe.

"The tension returns and this time, we feel, some harm must come to her rival." (Dyson, 17). Als Alice, in Badeanzug und Bademantel, das Licht in den Umkleideräumen löschen will, bemerkt sie, wie irgend etwas das Kätzchen erschreckt; etwas auf der Treppe. Alice dreht das Licht aus. Nur noch das Treppenhaus ist hell, nur die untersten Stufen der Treppe sind durch die Tür zu sehen, nur die Schatten des Geländers. Alice späht dort hinaus, als würde sie etwas wahrnehmen, aber zunächst sind nur fallende, hallende Wassertropfen zu hören – ein alltägliches, nun plötzlich unheimliches Geräusch, das davon kündet, wie allein Alice in diesem Augenblick hier unten ist. Und dann ist ein tiefes Grollen zu hören; der dunkle Schatten - eines großen Tieres? - auf der Treppe. Alice wirft ihren Bademantel ab, läuft zum Pool und springt in das Wasser. Die Halle ist nahezu dunkel, die Szene klaustrophobisch. Die Reflektionen des bewegten Wassers huschen über die Decke und über die Wände. Alice, ein Bild kläglicher, mitleiderregender Verletzlichkeit und völligen Ausgeliefertseins, tritt Wasser in der Mitte des Schwimmbeckens und dreht sich um ihre eigene Achse, panisch alle vier Seiten des Pools absuchend. Das animalische Grollen ist näher gekommen und hallt jetzt nach – die Kreatur ist hier. Die Szene ist "a fully-orchestrated symphony of shadows" (Newman, 48); für A.G. Frank ist ihr "horror impact" (Frank, 116) noch größer als bei der Central Park-Szene.

"The screen is turned into a stark chiraoscuro of shadows and reflections. When combined with the accompanying soundtrack of reverbatory swimming-bath ambience, the overall effect is supremely evocative. The atmosphere – which exudes an almost hypnotic power – is so specific that we are placed into the environment totally, allowing us to empathize more completely with Alice than we otherwise would. As the sequence is shot in such a subjective manner (...) we feel it is us who are in the pool as much as Alice." (Dyson, 117). Die Wände werden abwechselnd dunkler und heller, unheimliche Muster zeichnen sich ab; für eine knappe Sekunde wirkt es, als wäre ein "heller Schatten" zu sehen; und dann ist ein amorpher, sich bewegender Schatten erkennbar, jenes Etwas, das in der Dunkelheit noch dunkler ist. Etwas umschleicht das Schwimmbecken, "looking for a chance to strike" (Hogan, 60), und das Fauchen am Rande des Schwimmbeckens macht den amorphen dunklen Fleck zum Schatten eines Panthers. Zwischen den bedrohlich grollenden Lauten dieses Nichtmenschlichen das Geräusch von Wassertropfen.

Schließlich stößt Alice in ihrer Panik gellende Schreie aus, die wiederum schrecklich von den Kacheln widerhallen. Die Rezeptionistin und noch eine Hausangestellte eilen herbei – und finden Irena, die das Licht angeschaltet hat, am Beckenrand steht, zurücktransformiert aus ihrer Pantherform, mit einem sardonisch amüsierten Lächeln und eiskalter Ruhe auf Alice herab blickend: "What is the matter, Alice?" – Alice wendet sich an die beiden herbeigeeilten Frauen: "It's nothing... it was dark down here and Mrs. Reed coming in unexpectedly frightened me... I'm terribly sorry." Und doch bittet Alice die beiden Frauen, sie nicht mit Irena allein zu lassen: "Don't go, I'm coming right out!" – Alice schwimmt auf die Treppe zu, weicht aber wieder zurück, als Irena ebendort an den Rand tritt: "Sorry to have disturbed you, Alice. I missed you and Oliver and I thought you might know where he is!" – "We waited for you at the museum... you'll probably find him at home..." – "If you don't mind then, I'll run on", sagt Irena spöttisch, überlegen, ihr Katzenwesen jetzt ganz und gar im Einklang mit ihrer Irena-persona. "Here, the two actresses manage insincerity with ease, each lying right back at the other; but Alice, dripping wet and hair in rat-tauls, is now the nervous, edgy, marginalised one and Irena, fresh from being a panther, is the composed, cool, sexually confident creature" (Newman, 50).

Irena geht an der Rezeptionistin vorbei, die ihr überrascht und mißtrauisch nachblickt. Alice steigt erschöpft aus dem Wasser und verlangt mit zitternder Stimme ihren Bademantel. Als die Rezeptionistin Alice diesen überreichen will, stellt sie fest: "Gee whiz, honey, it's torn to ribbons!" Ungläubig halten sie den in Stücke zerfetzten Mantel empor: einziger sichtbarer Beweis für das Geschehene. Risse im Stoff, gezogen wie durch die Krallen eines Raubtiers, vielmehr: durch die Krallen eines Raubtiers.

"The swimming pool sequence is often cited as the archetypical Lewton scare sequence, as if it alone encapsulates the power of his style of film-making. I would argue in fact that it is the archetypical Jacques Tourneur sequence (...)" (Dyson, 117). Tourneur hat, so jedenfalls sein Bericht, eine ähnliche Szene selbst erlebt (mit einem Affen). "The fact that Tourneur experienced this terror helps one understand why it is so well conveyed on screen. His willingness to reproduce his own fear on screen tells us much about his commitment to his work (...)" (Dyson, 119). Tourneur selbst äußerte sich zu der Schwimmbad-Szene:

"It is a scene everyone talks about: there's a girl, the heroine, in a deserted indoor swimming pool at night, and her enemy, the girl who becomes a cat, a leopard, prowls along the side of the pool howling, and the shadows are on the walls, and there's a feeling of terror. To get the right feeling of claustrophobia, we purposely selected a pool in an existing apartment building here that was like the inside of a shoebox: white walls and low ceiling, with powerful light reflections from the water. We believed in suggesting horror rather than showing it. The shadow you saw of the big cat on the wall (...) was actually my fist (...)" (zit. in: Newman, 50). 

Schnitt: Dr. Judd in der Lobby des YWCA. Alice hat ihn gerufen. "Thank you for coming at so late an hour, Dr. Judd. I phoned you because I'm troubled. I think you can help me. How much do you believe about the Cat People?" – "The Cat People? The story Mrs. Reed told me?" – "Yes." – "My belief, my dear Miss Moore?" An seinem phallischen Stock herummanipulierend, offeriert Dr. Judd seine rationale Erklärung: "Exactly as I told Mrs. Reed – the story is a product of her own fear – her own overworked imagination." Schließlich ist es seine Funktion, rational zu "erklären", was wir bereits als übernatürlich erkannt haben. – "What would you say, Dr. Judd, if I were to tell you that I believe Irena's story? Twice I've been followed by something that was not human, something that attempted to take my life. I believe that was the cat form of Irena!"

Alice glaubt also jetzt, daß Irenas Version glaubhafter ist als diejenige Dr. Judds; daß Irena die Form eines Panthers annehmen kann, daß sie eine Katzenfrau ist. Dr. Judd fragt: "Why should she wish to harm you?" – "Because I'm in love with her husband." – "Oh my dear Miss Moore, the story grows more and more charming. Simpler too, all the time. You're both victims of fear. Mrs. Reed fears the past and you fear the present. Mrs. Reed has a very strong imagination, and you have an equally strong conscience." – "Dr. Judd, the danger that threatened me was very real!" – "You disappoint me, Miss Moore." – "Here is my robe."

Nachdem Alice ihren zerfetzten Bademantel präsentiert hat, nutzt Dr. Judd die Chance, wieder mit Irena in Kontakt zu kommen – zumal Alices Verbindung mit Oliver ihm gewiß nahelegt, daß Irena jetzt "offener" dafür sei: "To understand this, I should first have to hear Mrs. Reed's version of the story myself. That should be a most interesting interview." Alice rät ihm dringend, sich nicht auf eine möglicherweise tödliche Begegnung einzulassen: "I shouldn't advise you to see her alone." – "Do you think I'm afraid of so charming a lady?" – "Dr. Judd, I know you don't believe me, but you must be careful." – "Oh, you want me to carry some means of protection – a gun, perhaps, with a silver bullet? Is that what you mean?" – "If you're lucky enough to have one."

Über eine silver bullet, Anspielung auf den Universal-Wolfsmenschen, verfüge er nicht. Aber er hat etwas anderes. "Hmmm... Of course - this isn't silver." Er zeigt ihr kurz die Klinge, die er in seinem exzentrischen Stock verbirgt. "Good night, Miss Moore." Und er geht, um seinen Phallus in Irena zu stecken. Und da sein Phallus-Substitut eine Art Schwertklinge ist, erinnern wir uns an King John.

In der nächsten Szene ist Irena tatsächlich in Dr. Judds Praxis erschienen. Aus welchen Gründen auch immer, jedenfalls findet diese Sitzung nicht im Dunkeln statt; vielmehr verhört Dr. Judd Irena bei hellem Tageslicht und bezichtigt sie umgehend der Unwahrhaftigkeit:

"You say you have lapses of memory for which you cannot account. They're becoming more frequent and you're afraid." – Irena fleht: "Help me." – "I can't help you. You're not truthful with me." Noch einmal richtet Irena ihre inständige Bitte an die Welt: "But I am! I've told you everything. I have not lied to you." – Dr. Judd setzt sich auf seinen Tisch, kommt sehr nah an Irena heran: "Do you sincerely believe that if your husband were to kiss you, you would change into a cat and rend him to bits?" – "I don't know. I'm only afraid." Dr. Judd lehnt sich weiter vorwärts: "And if I were to kiss you?" – "I only know that I should not like to be kissed by you." Newman beobachtet fein: "Like the animals in the pet shop, Irena knows who's 'not right' (...)" (Newman, 54).

Dr. Judd legt einen bedrohlichen Ton in seine Stimme: "My dear Mrs. Reed. Sometimes in my profession there comes a contest of wills between the doctor and his patient. Patients are clever, very clever, and they can fool the doctor – sometimes. You're very clever and perhaps you enjoy this little game you're having with me, but I shall discover your secret!" – Irena antwortet verzweifelt: "Dr. Judd, believe me – I beg you to believe me! I have no secret! I told you everything. I have not lied to you! I need your help!" – "I can't help you, but I can warn you. These hallucinations approach insanity. This nonsense about Miss Moore, at the park and in the swimming pool – it's a deterioration of the mind, an escape into fantasy. And it's dangerous." – Er richtet seine brennende Zigarette auf sie: "At this moment, I could go before a board and have you put away for observation. You're that close to real insanity. I can't help you. You can only help yourself. You keep going back to the mad legends of your birthplace. Forget them!" Er legt seine Hand auf ihre Schulter: "You surround yourself with cat objects, pictures. Get rid of them! Lead a normal life."

Offensichtlich hat Irena eine Phase, in der ihr Katzenwesen in den Hintergrund getreten ist; jedenfalls scheint sie sich während ihres Besuches in Dr. Judds Büro ein letztes Mal sehnlich zu wünschen, "normal" zu sein. "The cold, calculating human Irena who bluffed her way into the YWCA and played icy poolside conversation games is as much an alternate personality as her cat form" (Newman, 54). Und darum denkt sie ernsthaft über das nach, was Dr. Judd soeben gesagt hat. Sie geht zur Tür und sagt: "You know, for the first time, you've really helped me." – Dr. Judd, offenbar selbst etwas überrascht, legt wieder Samt in seine Stimme: "Maybe it's because you interest me." Und sieht ihr nach mit gonna-get-you-Blick.

Dr. Judd ist blind für Irenas wahre Natur, lehnt überhaupt jede Beschäftigung damit ab. Und hier, wie überall, wird genau diese Haltung dem Anderen gegenüber das zerstörerische Potential des Anderen aktivieren.

Jene Irena, die Dr. Judds Büro verläßt, ist von neuem gewillt, sich mit Oliver auszusöhnen – ihn zu lieben und ihm ihre Liebe zu zeigen. Zuhause zündet sie, "all desperate smiles" (Newman, 55), Kerzen an für ein abendliches Dinner zu zweit am brennenden Kamin. Oliver erscheint, wirkt ernst und zieht seinen Trenchcoat gar nicht erst aus. Irena glüht ihm entgegen: "Oliver, I went back to Dr. Judd's office. I'm no longer afraid!" – Und sie ist in diesem Augenblick bereit für seinen Kuss und seine Umarmung; empfänglich für seine Wünsche; selbst wünschend, "wirklich Mrs. Reed" zu sein. Das Goya-Gemälde hängt nicht mehr über dem Kamin, Irena hat es abgehängt.

Dies ist wiederum ein bedeutender Augenblick: in dem die Frage auftaucht, was geschehen würde, wenn Irena jetzt zu "Mrs. Reed" würde. Wir wissen, daß Eifersucht und Zorn sie verwandeln; wir wissen, daß Eifersucht als der Katalysator gewirkt hat. Mehr nicht. Da sich Irena bereits in einen Panther verwandelt hat, ist es wenig wahrscheinlich, daß es sich in diesem Punkt, der sexuellen Erregung, nur um die Fallstudie einer Obsession handelt. Man könnte sich dennoch fragen, ob nicht der Schlüssel bei Oliver liegt; daß unterschwellig von seinem Horror vor einer ungeheuerlichen Erotik die Rede ist, wenn er Alice als die ihm angemessene Frau erkennt, ist deutlich. Ob jedoch erotische Ekstase, in einer bestimmten psychischen Disposition genossen, nämlich in ihrer Gewalt willkommen geheißen, den Fluch womöglich aufgehoben hätte, ob nur innere Ablehnung die Verwandlung Irenas während eines Sexualakts bewirkt hätte, all dies muß Spekulation bleiben, denn mit seinem "spectacularly bad timing" (Newman, 55) erklärt Oliver:

"Believe me, Irena, I'd have been the happiest man in the world if you'd told me that a little while ago. But things have changed. I had to learn, maybe through this marriage of ours. I didn't want to tell you this, but now, you see, I have to. I love Alice. Irena, it's too late." 

I had to learn, through this marriage of ours – das ist, in nuce, eine im Horrorgenre gängige Bewegung, mit der das Eigene (das Selbst) das Fremde (das Andere), dazu benutzt, sich zu konsolidieren. In CAT PEOPLE aber schlägt das Andere dadurch zurück, daß es die Ärmlichkeit dieser Konsolidierung (und der Liaisons, die sie gewährt) deutlich vor Augen führt.








"Too late..." – Irena verschränkt die Arme, schaudernd (als wäre eine Katze über ihr Grab gelaufen), ihre Fingernägel scheinen spitzer zu werden. – "There seems only one decent thing for me to do", fährt Oliver fort, "I'll give you divorce. Believe me, it's better this way."
"Again", beobachtet Newman, "she has an instant insight into a man's character" (Newman, 55). Sie antwortet:
"Better? Better for whom?"
"Irena..."
"Speak... you can't speak! There's nothing you can say, there's only silence..." Und mit diesem Satz geht ein sichtbarer Wandel in Irena vor. Sie wirft sich auf das Sofa, preßt ihr Gesicht gegen das Kissen, und wispert unter Qualen: "... but I love silence! I love loneliness..." – was sie dann flüstert, ist nahezu unverständlich,  inkohärent, sie sagt es nur noch sich selbst: "In me, they are in me... their strength... they're soft... they're soft..."

Oliver geht auf sie zu: "Irena, you're talking like an insane woman..." – Sie fährt ihn an: "Please go! I want you to go, please! Go. Go!" Geschockt verläßt Oliver das Apartment.
Irena will, daß Oliver geht – aus Furcht davor, daß sie ihn anfällt. Mit ihren Fingernägeln reißt sie anstrengungslos drei parallele vertikale Linien in den samtigen Sofa-Bezug: "this image is one of the film's most subtly chilling, suggesting what those same nails might do to a human face" (Newman, 56). Irena ist "eine Exilantin für immer. In der geordneten Welt von Oliver findet sie keinen Platz." (Schifferle, 86).

Eine spontane Versammlung bei Sally Lunn's. Minnie bringt das Bestellte für Alice ("Bavarian cream"), Dr. Judd ("Roquefort") und Oliver ("and you get the Apple Pie"), die unter dem Vorzeichen, das Beste für Irena zu wollen, ihre Verschwörung gegen sie schmieden – wenn auch mit unterschiedlichen Hintergedanken.

"I have pointed out two alternatives, Mr. Reed. Either have her put away for observation and restraint, or have your marriage annulled."
"It's tough for Oliver either way, Doctor", wirft Alice ein. Der smarte Doktor versucht Oliver und Alice auf die Linie zu bringen, die ihm die günstigsten Aussichten bietet:
"As a psychiatrist, I should recommend that you have her put away. As your friend, however, I have much more reasonable advice to offer. I think you should have your marriage annulled. In that way, you are free of responsibility. You two could marry."

Alice fragt: "And if Irena's sent away?" – "The law is quite explicit", antwortet Dr. Judd, "one cannot divorce an insane person." Oliver hat Skrupel: "If she's not well, I gotta take care of her." Alice fügt hinzu: "It's the only right thing, Ollie." Ohne weiter zu argumentieren, erklärt Dr. Judd, er werde also die Einweisungspapiere vorbereiten: "As you will. I'll have the commitment papers drawn up, and arrange an interview with Mrs. Reed at her apartment tonight. Shall we say – six o'clock?"

Doch Irena erscheint nicht. Das Trio wartet seit eineinhalb Stunden im – entsprechend verqualmten – Apartment; mit den Worten "Let's not play that" stellt Oliver das Grammophon aus, auf dem Alice gerade jenes Lied abspielt, das wir als Irenas Motiv kennengelernt haben. Oliver erklärt: "I don't think she intends coming. She's probably walking in the park." Alice schlägt vor: "Ollie, let's get back to the office. We've had a terribly broken-up day, and there's lots of work to be done." Entweder ist das Arbeitsethos dieser Frau erschlagend, oder sie sucht nach einer Gelegenheit, mit "Ollie" allein zu sein, wiewohl in "unverfänglicher" Umgebung.  "Suits me", stimmt Oliver zu. Dr. Judd hat währenddessen heimlich seinen mörderischen Spazierstock hinter einem Sofakissen verborgen. Im Treppenhaus gibt er dann vor, seinen Stock vergessen zu haben, bittet Oliver um den Schlüssel und kehrt noch einmal in das Apartment zurück. Heimlich macht er sich am Schloß zu schaffen, so daß die Tür unverschlossen bleibt – für spätere Benutzung.

Newman beobachtet die Reste bigotter Moral in der Unmoral: "It seems likely Oliver and Alice sublimate their desire for each other into their work (...)" (Newman, 57) – und so kehren sie also am späten Abend in das dunkle, verlassene Büro zurück und beschäftigen sich tatsächlich mit Schiffskonstruktion. Bis das Telefon klingelt, Alice einen weiteren stummen Anruf entgegennimmt und zu dem Schluß kommt, daß eine drohende Gefahr ganz in der Nähe lauert: "It happened once before like that. Telephone rang, and I answered. There was someone on the other end of the line. I could almost hear them listening. Then there was a little click as they hung up the receiver. That was the night I was followed on the transverse... Ollie, let's get out of here! I'm afraid! That was Irena! I know it was Irena who called. She could call from downstairs. She may be on her way up now!" – Oliver antwortet knapp: "Get your things." – Während sie sich anziehen, bemerkt Alice: "The door is open, we can see to get out into the hall." Oliver sagt, er wolle noch die Tischlampen ausmachen. Da fällt Alices Blick auf die Tür: "Shut now! Just a minute ago it was open!" Kein Geräusch war zu hören außer dem Rascheln der Mäntel. Oliver geht zur Tür: sie ist abgeschlossen.








Und dann ist das laute Fauchen des Panthers zu hören, und die Silhouette eines wirklichen Panthers ist zu sehen, zwischen den Büromöbeln durch die schattigen Winkel des Büros schleichend, und im Dunkel leuchten bedrohlich seine Augen. Oliver und Irena fliehen in eine Ecke, hinter einen der Tische, ihre Gesichter von unten beleuchtet durch die Zeichentischlampe. Hier, wie schon zuvor, scheint es: hätte Irena Alice, Oliver oder beide verletzen oder töten wollen – sie hätte es längst tun können. Oliver – jetzt endlich überzeugt – nimmt einen T-Winkel von der Wand, hält ihn umgedreht, so daß er einem Kruzifix gleicht, und beschwört das Wesen vor ihm: "Leave us, Irena... in the name of God, leave us in peace." An der Wand erscheinen übergroß die Schatten von Oliver und Alice, sowie der Schatten des "Kreuzes" – "adding more mythic resonance than if we were just shown them conventionally framed (...)" (Dyson, 119). Das Objekt produziert den erhofften magischen Effekt. Der Panther scheint demütig den Kopf zu senken, weicht zurück – und ist verschwunden. Ein zischendes Geräusch ist zu hören. Dann der Blick in den leeren dunklen Büroraum: nichts. Im Hintergrund ist die verschlossene Bürotür sichtbar. Dann ein Schnitt auf Oliver und Alice. Dann eine andere Einstellung des Büros: die eben noch verschlossene Tür ist jetzt offen, Licht dringt aus dem Flur. All dies in wenigen Sekunden, bei völliger Stille.

Oliver und Irena finden ihre Fassung wieder und fliehen aus dem Büro. Im Korridor Schatten an der Wand, die auf seltsame Weise an Zielscheiben erinnern. Der Fahrstuhl: offen, nicht einsehbar. "Let's go down the stairs", beschließt Oliver. Als sie sich umgedreht haben, um die Treppe hinabzustürzen, schließt sich – unsichtbar für sie – die Fahrstuhltür. Alice hat kurz vor dem Ende der Treppe einen leichten Schwächeanfall, erklärt aber, sie habe keine Angst. Als sie die Eingangshalle erreicht haben, ruft sie: "Look!" – die Drehtür dreht sich. Und Alice erkennt den Duft, der die Lobby durchzieht: "Irena's perfume... strong, sweet." Sie laufen durch die Halle, bleiben draußen noch einmal stehen, sehen sich um – nichts. "I need a drink", sagt Alice. Oliver nimmt sie in den Arm, und sie gehen durch die Nacht davon.

Irena hat sich während dieser dritten stalking scene nicht nur tatsächlich, sondern auch sichtbar in einen Panther verwandelt. "This is the scene that seems to excite the most criticism (...) and Tourneur wasn't keen on including an actual panther. (...) For those who want to preserve their ambiguity, at least until the very last scene, there is a possible rational explanation: Irena stole the key to the panther cage, remember – she could have released it and brought it to the office (...)" (Newman, 57). Daß Irena den Zoo-Panther befreit und in das Büro eingelassen hat, um ihn dann wieder in den Zoo zurückzubringen – theoretisch sicher möglich, aber völlig unwahrscheinlich. Newman gibt zu bedenken, daß auch der tatsächlich erscheinende Dämon in Tourneurs Night of the Demon (1958) durchaus nicht der Fehler war, den Tourneur selbst darin vermutete ("There's nothing wrong with a monster if it's a good monster, and the Night of the Demon fiend is tremendous" (Newman, 76).

Ebenso verhalte es sich mit CAT PEOPLE: "We have had two major transformation scenes without seeing the creature (...) The prowling, flashing-eyed big cat allows this scene to build on the earlier ones, showing us just a bit more. Even if he was grouchy about being made to use a leopard, Tourneur (...) pulls off a bit of bravura in this scene." (Newman, 57 ff.) Newman meint hier vor allem den Einsatz von Licht und Schatten: "With the strong underlighting from the drafting tables shining merciless spotlights on Oliver and Alice (...), the scene uses light as inventively as shadows to terrify. The cat inhabits pools of dark (...) but its potential prey are frozen in harsh, bright whiteness (...)" (Newman, 59). Der Einsatz des T-Winkels dagegen dünke dagegen manchen "as unintentionally funny" (Newman, 59); auch Dyson findet hier die eine schwache Stelle des Films: da man einen realen Panther sehe, wirke "the lame attempt at a spiritual appeal to defeat Irena (...) unconvincing" (Dyson, 119). Gewiß, man muß einiges dazudenken: Irenas King-John-Idolatrie, ihr Kreuz-Schlagen beim Erscheinen der Katzenfrau-Schwester. Es ist andererseits aber nicht einmal zwingend notwendig, den Rückzug des seltsam betroffen wirkenden Irena-Panthers als Reaktion auf gerade diese Geste zu sehen. Vielleicht erfüllt Irena einfach nur den Wunsch des Mannes, den sie liebt – "leave us, Irena, leave us in peace" – wissend, daß er von ihr erwartet hat, daß sie auf andere Weise ihre Liebe zeigt, tut sie es gleichwohl vielleicht auch in diesem Augenblick.

Schnitt: Dr. Judd wartet, Zigarette in der Hand, in Irenas Apartment auf die geplante Verführung – und wenn nicht Verführung, dann Vergewaltigung. Er hat sich in Stimmung gebracht mit der Schallplatte, die Irenas Lied spielt. Das Telefon klingelt. Oliver und Alice stehen in einer Telefonzelle, Alice ist am Apparat. "Dr. Judd?" – "Miss Moore!" – "Yes, we've been trying to get you on the phone, Dr. Judd, I called your hotel." (Darauf muß Alice eine Art weibliche Intuition hinsichtlich Dr. Judds augenblicklichen Aufenthaltsort ereilt haben). "Yes, I know, that's what I want to talk about. Are you alone? You'd better leave then, she may be on her way back, now! But she is dangerous, Dr. Judd, I warn you! Hello? Hello, Dr. Judd?"

Dr. Judd antwortet nicht mehr, er legt auf, denn in diesem Augenblick öffnet Irena die Tür zu ihrem Apartment. Sie gehen aufeinander zu. Noch einmal Schnitt in die Telefonzelle: "Dr. Judd!" Dann hängt Alice ein. "I think Irena just came in, he hung up on me!" – Sie nehmen ein Taxi.

Dr. Judd, mehrfach gewarnt, daß Irena gefährlich sei, weigert sich noch immer zu sehen, daß sie eine Bedrohung für ihn ist. Er steht nahe bei ihr und läßt seine Stimme schnurren:
"You're late, aren't you? I kept my appointment. You see, I've never believed your story." Er nimmt ihre Schultern in seinen festen Griff. Seine Sexualität, nicht ihre, ist die Bedrohung.
"I'm not afraid of you... I'll take you in my arms. So little... so soft... warm perfume in your hair... your body... Don't be afraid of me, Irena..."

Er küsst sie. Teilnahmslos läßt sie den aufgezwungenen, gewaltsamen Kuss über sich ergehen; ihr Auge blickt in weite Ferne. Er, der "Ritter", King John mit seinem Schwert, der glaubt, er könne das Biest mit seinem Kuss zähmen, führt die Transformation Irenas in einen schwarzen Panther herbei. Auch Dr. Judd erstarrt während dieses Kusses. Nach dem Kuss ist Irenas Gesicht zu sehen – leer, trancehaft und zugleich von einem furchtbaren Willen gezeichnet. Ihr Gesicht verdunkelt sich, ihre Augen glühen und funkeln, die Transformation in einen Panther nimmt ihren Lauf.








"There's some fine acting from Simone Simon, her expression suggesting a complexity of deviousness. Tourneur even sees to it that her eyes are highlighted with spotlights so that they sparkle mysteriously as she slowly descends out of the frame. This is the closest we're going to get to a transformation scene, but it is made effective by the cut to Judd and the expression of terror that grows on his face" (Dyson, 120).

Schnitt also auf Dr. Judds Gesicht, der zuerst beunruhigt, dann entsetzt Zeuge der Transformation wird. Er weicht zurück, als Irena näherkommt, und zieht dann die phallische Klinge aus seinem Spazierstock, wobei er die Lampe, die den Raum erhellt, vom Tisch stößt. Die Schatten an der Wand (und auf dem Paravent), die hektische Musik und Schnittfolge erklären jetzt, was geschieht: ein Kampf auf Leben und Tod zwischen Dr. Judd und einer Raubkatze. [Goya ist wieder zurück über dem Kamin]. Schließlich wirft sich der Panther mit einem spektakulären Sprung auf sein Opfer; Dr. Judd versucht, ihn mit seiner "Schwert"-Klinge aufzuspießen – die letzte Geste King Johns. Die Klinge bricht ab. Oliver und Alice erscheinen in der Eingangshalle, als ein horrender Schrei – ein Todesschrei – zu hören ist. Sie stürmen hinauf.

Irena hat das Apartment lebend und wieder in menschlicher Form verlassen. Sie hält ihre linke Schulter, und sie schwankt. Sie schafft ein paar Schritte die Treppe hinab und versteckt sich hinter einer großen Topfpflanze; Oliver und Alice laufen an ihr vorbei. Vor der Tür zum Apartment versammeln sich neugierige Nachbarn.

Als Oliver mit Alice die Treppe hinauf läuft, blickt Irena ihm ein letztes Mal nach – verwundet, auf jede erdenkliche Weise. Sie senkt den Blick. Alles ist verloren, alles war vergebens. Sie schleppt sich weiter. Jemand ruft Oliver in das Apartment. Irena steht unten am Treppenabsatz und sieht nochmals hinauf, macht eine schwache und vage Geste mit der Hand – ein Abschiedsgruß, den niemand mehr sieht.

Oliver und Alice entdecken in der tumultuarisch verwüsteten Wohnung die grausam zugerichtete Leiche Dr. Judds – und die Tatsache, daß seine Klinge in der Mitte zerbrochen ist. Die andere Hälfte steckt in Irenas Schulter; "broken off inside Irena" (Dyson, 120). Sie stürmen wieder aus dem Apartment, um Irena zu suchen.








Irena hat sich mittlerweile durch den Nebel der Nacht in den Zoo geschleppt – die letzte Flucht der ewigen Exilantin. Langsam nähert sie sich dem Käfig des schwarzen Panthers. Ruhig und wachsam liegt er da. Als er sie bemerkt, erhebt er sich, leise fauchend und erwartungsvoll. Irena steckt den Schlüssel, den sie gestohlen hat, in das Käfigschloß. Um das Tier zu befreien – und um es einzuladen, sie tödlich zu attackieren. Der Panther grollt und scheint zunächst zurückzuweichen. Aber Irena weiß, was geschehen wird, und sie macht sich bereit. Eine winzige, tapfere Geste, mit der sie ihren Körper spannt, wie um aufrecht vor dem Hinrichtungskommando zu stehen. Sie steht da in Erwartung. Und auch der Panther hat sich nur zurückgezogen, um seinen Körper für den Sprung in die Freiheit zu spannen. Dabei erfaßt das Tier Irena mit seinen mächtigen Krallen, und sie fällt zu Boden. Der Panther hat sie getötet, nicht die abgebrochene Klinge, die jetzt sichtbar aus Irenas Körper ragt. Das Tier springt über die Steinmauer des Zoos, wird aber beim Sprung hinab sofort von einem vorbeifahrenden Auto erfaßt – "visual metaphor for Irena's fate" (Dyson, 120). Zu hören ist nur der dumpfe Schlag. Zu sehen ist nichts; erst als die Fahrer sich das Malheur besehen, liegt ein dunkles fellbedecktes Etwas auf dem Boden.

Ein dunkles, fellbedecktes Etwas liegt auch auf der Erde, als Oliver und Alice den Zoo erreichen. Irenas Körper. Das Etwas ist so dunkel und undeutlich, "that if one chooses one can see it as a panther's corpse" (Dyson, 120). Oliver kniet sich hin, um die dunkle Figur zu betrachten; Alice, hinter ihm, kommt langsam näher. Genau in dem Augenblick, als sie entsetzt ihre Hand ausstreckt, ein Impuls, mit dem sie auf das Unglaubliche zeigt, das sie sieht, sagt Oliver die letzten Worte des Films: "She never lied to us."

Oliver nimmt Alice, deren Aufgabe es war und ist, Oliver in die normale Welt zurückzubringen, in den Arm, und sie gehen langsam in ebendiese Richtung.

Die Kamera zieht sich vom Schauplatz zurück, und ein (diesmal authentisches) Zitat aus den Holy Sonnets von John Donne beschließt, als Einblendung, den Film:

"But black sin hath betrayed to endless night / My world, both parts, and both must die". 

Durch schwarze Sünde wurde meine Welt zu beiden Teilen ausgeliefert einer ewigen Nacht. Und beide Teile müssen sterben.  (Heilige Sonette V.)





















Literatur:

Dyson, Jeremy: Bright Darkness. The Lost Art of the Supernatural Horror Film, London 1997.
Frank, Alan G.: Horror Movies, London 1974.
Frumkes, Roy: Interview mit Simone Simon, in: The Perfect Vision # 20, New York 1994.
Hogan, David J.: Dark Romance. Sexuality in the Horror Film, Jefferson 1997 (Reprint der Erstausgabe 1986).
Newman, Kim: Cat People, London 1999 (BFI Film Classics).
Schifferle, Hans: Die 100 besten Horrorfilme, München 1994.