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Mittwoch, 23. August 2023

Alexander Grin: Wogengleiter

 

 

 

Entzückt und unbeweglich saß ich im blauen Licht des Meeres und im goldenen des Raumes. Ich war glückselig, erhob mich mit leichter Seele und sagte mit feiner, unerklärlicher Überzeugung zu den Sonnengespenstern: "Euch, Zeichen und Figuren, die ihr mit unbekannter Bedeutung hereingebrochen seid und mich mit dem stillen Wechselspiel Eures golden-flimmernden Tanzes erfreut habt -, solange Ihr Euch noch nicht von mir wendet, vertraue ich das Rätsel des Unerfüllbaren in mir an. Ich bitte Euch, es zu lösen und mich zu erleuchten..."

Ich war mir dessen bewußt, daß mir diese Ansprache später etwas lächerlich vorkommen würde.






SPIEGEL ONLINE Forum "Literatur - Was lohnt es noch, zu lesen?"

September 2007




Gerade beendet: Alexander Grin, "Wogengleiter", 1928. Thomas Harvej, der Held des Romans, fühlt, wie "das Unerfüllte" ihn ruft, und beginnt, von den kleinlichen Angelegenheiten des Alltags abzusehen, stattdessen die "schwach flimmernden Schemen" zu ergreifen – den Zeichen zu folgen, die das Unerfüllte gibt. Er erblickt es in Form einer Frau, die im Hafen die Falltreppe eines Dampfers hinabschreitet, ein Bild, das er in den feinsten Regungen seiner Seele immer erwartet hat. Und dann gerät Harvej in haarsträubende Geschichten, in denen er den Mustern der Bestimmung nachspürt; er reist als Passagier auf dem "Wogengleiter", dessen schurkischer Kapitän Gaes "zufällig" ein Bild der von Harvej erblickten Frau, Bice Seniel, in seiner Kajüte hat. Von der Begegnung mit der übers Wasser gehenden Fresi und der später dasselbe Kleid wie Bice tragenden Desi bis zum allesverbergenden, allesverheißenden Karneval in Gel-Gju: eine stilistisch filigrane, mit hinreißenden Metaphern nur so um sich werfende Geschichte voller geheimnisvoller Charaktere, die bei allen verschlungenen Abenteuern doch wie eine Reise durch die Psyche, wie ein Weg durch das Labyrinth des Herzens ist.

Darum, Allez, lesen: um die Literatur das Leben überzeugen zu lassen, daß alles möglich ist. Daß es möglich ist, zwischen Betontürmen ohne Peinlichkeit und Lächerlichkeit den Blick für das Wunder zu bewahren.