Rest in Peace, Ray.







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Dienstag, 26. September 2017

Vorweihnacht mit Cured Catherine (30): Lacan N° 5













Mark Lanegan hat den BRMC weggeschwemmt!? Was für eine Stimme.

So. Wo waren wir? Coco. Woah. Eine der wichtigsten Frauen der Moderne und so kam auch ich nicht an ihr vorbei. Als ich in den 80ern die Vogue und so Zeug durchblätterte, liebte ich allein die Chanel-Anzeigen, weil sie die stilvollsten waren. Linda Evangelista und Christy Turlington in zarten schwarzen Tüllröcken und mit tiefroten Lippen.

Rot, das so rot ist wie Blut, wenn man "Blut" denkt. Und dann kamen die auch noch mit Rouge noir. Ich las damals dann auch diese schlechte, aber beeindruckende Biographie, die ein Roman ist. Ihr Klostertrauma, ihre Rebellion in Hosen, ihre Kühle, Strenge, Zähigkeit. Und das alles in Paris und Deauville, wo man nicht bereit war, es ihr leicht zu machen. Aber sie war auch gerissen, mutig und so schlau wie nur wenige Frauen. Auch eine meiner Wegweiserinnen, ganz klar, ich wußte alles über sie, was man wissen konnte und als ich Anfang der 90er in Paris war, besuchte ich mit großer Frechheit die 31, Rue Cambon. Schwarz und weiß, kühle Eleganz, kompromißlos und luxuriös. Stravinsky wurde in dem Buch kaum erwähnt, dafür die enge Freundschaft mit Misia Sert. Naja. Sahen Sie den Film bereits? Anna Mouglalis – mais oui, très bien.

Bitte sagen Sie, was Sie über Hegel-Freud-Lacan herausgefunden haben, Holmes. Über signifiants und signifiés. Sie wissen etwas, ganz sicher. Ich ließ beinah das Buch fallen, als es vom Auflösen im Anderen und der Rückkehr zu sich, wenn das Fremde im Anderen erkannt wird, sprach. Mein Gott, wie recht Sie hatten. Ganz am Anfang damals. Aber ich auch, weil alles erst dann schwierig wird, wenn man das Fremde zu überwinden und anzunehmen beginnt. Trotzdem, ein schweres Los, diese Lacan-Schriften. Ist denn nun Hegels Bedeutung des Unsichtbaren das, wovon Sie immer sagten, es sei nicht Positivismus, dem wir verfallen wollen? Ich hoffe, es macht Sie nicht alles sehr müde.











Den Black Rebel Motorcycle Club kann man nicht wegschwemmen. Bin eh Light Sitter, aber es kam mal wieder zur temporären Trennung Mann – Hocker. Ich hatte zwar die Ahnung, daß die es einem so richtig besorgen, aber ich hatte nicht gewußt, was die darunter verstehen, es einem so richtig zu besorgen. Die spielen, bis keiner mehr steht.

Mark Lanegan, Sonnabend – hypnotisch, unglaublich, unerklärlich. Faszinierend ist es da, im Uebel & Gefährlich. Als wir da so saßen auf einem der Sofas der Hinterzimmer mit den alten gemusterten Goldtapeten an der Wand: B fragte sich, wo sie in dieser Bunkeretage das Bett hinstellen würde, und ich spendierte derweil laneganesque einen Whiskey für jeden Geist, der hier noch seufzte. Sie ist einfach die Pragmatikerin, of us two.

Oui, wir sahen den Film. Loved it. Und es ist ein Film für jene, die wissen, daß schon die Auswahl der Knöpfe für einen Chanel-Entwurf eine Wissenschaft ist und nichts weniger; also für Sie. Und für jene, denen es Schauder über den Rücken jagt, die ersten Töne des Fagotts von "Le Sacre du Printemps" zu hören, im Orchestergraben so nah zu sein, daß man das leise Klappern der Mechanik des Instrumentes hört, weil es noch atemlos still ist – bevor alles im Inferno untergeht, das gleichwohl auch hier, wie ich u.a. von Misia Sert weiß :), noch recht zahm inszeniert ist. Leider gibt es auch hier keinen Nijinsky oder Diaghilev, wie sie zu sein hätten, aber das ist nebensächlich. Anna Mouglalis ist perfekt im Kühlen, Strengen, Zähen, Kompromißlosen. "Mögen Sie keine Farben?" – "Doch. Schwarz." Chanel N° 5: "Ich will wie eine Frau duften, nicht wie eine Blume." Vor allem ein Film für jene, die wissen, welche Lektion Anna als Coco erteilt, und warum das deutsche Feuilleton den Film nicht lieben kann; beides gehört untrennbar zusammen. In Marlene-go-home-Land, das jetzt Heidi-Klum-Land ist, bleibt die Empfänglichkeit für subtilere Ausdrucksformen erotischer Spannung eher rar gesät. Schon für das, was Lagerfeld über Heidi Klum sagte, muß man ihn lieben: "In Paris kennt die keiner." Danke für das Bild mit all der schwarzerotischen Eleganz und den tiefroten Lippen, Sie wissen, wie Sie mich ergetzen, Watson.

Lacan. Nie verstanden, ob ich auch nur ein Wort von Lacan wirklich verstanden habe. Aber wenn ich es richtig verstanden habe, ist für Lacan das Reale überhaupt nur in Vermittlung des Symbolischen erfaßbar, schon das ist eine antipositivistische Breitseite. Das Ich ist – als "Einheit" – eine imaginäre Funktion. Das Symbolische ist die fast apriorische Kategorie, in die wir eintreten: Sprache, Zeichensysteme, die "symbolischen Formen", von denen Ernst Cassirer spricht. Das Reale ist zwar da, aber wir können es immer nur in Annäherungen erfassen, mittels symbolischer Formen.

Fangen wir ganz vorne an, Watson: "Je est un autre", Arthur Rimbaud, 1871. "Subjekt" als abgeschlossene Ganzheit ist Fiktion. Lacan betreibt nicht Auflösung der Ich-Identität, wie ihm ja auch vorgeworfen wurde, doch er löscht "Identität" als umgrenztes Ich – da wurde er für mich im Horror-Zusammenhang interessant.

Die Genese der Einheit des Ich als imaginär (im Sinne von "scheinhaft" wie im Sinne von "auf ein Imago gründend") verläuft entlang der bilderproduzierenden Kraft der Form und einer wiederum formenden Kraft des Bildes. Spiegelstadium als eine durch Aufnahme eines Bildes ausgelöste Verwandlung. Diese Form, die gespiegelte Gestalt des eigenen Körpers, situiert die Instanz des Ich (moi) auf einer fiktiven Ebene. Diese Form ist ihm als "Gestalt" gegeben, jedoch – Lacans Pointe – "in einem Außerhalb". Einheit des Subjekts ist auf die Ebene des – buchstäblich – Imaginären verschoben. Der gespiegelte lebendige Leib ist Gestalt, als Gestalt ist er Einheit, die sich auf das Ich überträgt. Das Kind, das sich mit dem Spiegelbild identifiziert, identifiziert sich mit der imaginär antizipierten Einheit. Das Bild des Ich ist also von Anfang an imaginär. Die das Eigenempfinden bis dahin beherrschende Impression der Zerstückeltheit weicht einer Projektion von Identität, die am Außerhalb des Bildes, am *anderen* orientiert ist. Der Spiegel gibt ein Ich ganz, aber als ein anderes. Diese erste Identifikation enthält eine Hochrechnung auf die Vollkommenheit, die später dem Anderen unterstellt wird. Soweit d'accord?











"Mögen Sie keine Farben?" "Doch. Schwarz." *seufz* *umfall* Müßte allein schon reichen, mich restlos zu überzeugen. Oui, soweit recht d'accord. Sein Spiegelstadium formte Lacan ja unter anderem aus der Grenzerfahrung des Narziss, "die Stimme der Nymphe Echo verdoppelt die visuelle Beziehung zwischen Narziss und seinem Bild". Und was er damit zeigen konnte, ist, dass das Ich nicht die autonome Instanz ist, die in der Psychoanalyse vorausgesetzt wird. Dann geht es weiter mit dem Symbolischen im Spiegelstadium als "strukturierende Instanz, ohne welche die spiegelbildliche Beziehung mit dem andern tödlich würde." Etwas später heißt es auch noch, dass "das Subjekt seinen Mangel im Angewiesensein auf die andern, in seinen Ansprüchen an sie, in der Liebe und vor allem in der Unmöglichkeit, restlos befriedigt zu sein, bemerkt. Im andern begegnet es erneut dem Mangel, dem des Andern. Damit ist das Drama jeder menschlichen Beziehung strukturell vorgezeichnet." Aber das ist auch nur aus der Einführung der Sekundärliteratur. :) Man kann Lacan wohl nie "verstehen", das liegt schon in der Struktur seiner Inhalte begründet, sagen alle, die über ihn schreiben und von ihm sprechen. Man kann sich wohl nur annähern, und das immer mal wieder. Äußerst spannend.











Gut, also: das "Ich" geht, bevor es eigentlich da ist, außer sich und findet sich als ein anderes; und es hebt insofern das Andere auf, als es sich selbst im Anderen sieht. Das Bild der Ganzheit wird dem Ich durch das Sichwahrnehmen im anderen, in einem außerhalb des Ich liegenden Bild vermittelt. "Ich ist ein anderer". Dadurch, meint Lacan, wird also gerade die Ganzheit des Ich das eigentlich andere seiner selbst. Werten wir das nicht, versuchen wir einfach, weiter zu folgen. Das Ganzheitsbild erscheint ja vor dem Hintergrund der "discorde primordiale". Wenn ich es richtig verstehe, meint Lacan, daß das Subjekt diese Erfahrung der Einheit, die "außerhalb" gefunden wurde, in der Begegnung mit dem Anderen zu wiederholen versucht, und daß da immer eine Produktion von Imaginärem stattfindet. Unauflösbarer Zusammenhang von "Einheit" und "imaginär".

Dann: das Symbolische. Also das Differente. Das Gesetz des Vaters, strukturierende Instanz. Was Sprache ist und gleich ihr strukturiert ist. Dabei entsteht die Absenz des Anderen, die symbolisch in der Sprache repräsentiert ist. Und dabei entsteht das Unbewußte. Aber wenn es heißt, "L'inconscient, c'est le discours de l'Autre" – das Unbewußte ist der Diskurs des Anderen – artikuliert sich das Ich in der Sprache des Unbewußten? Oder ist das Unbewußte der Ort des Anderen, das dem Subjekt vergessene Botschaften übermittelt? Oder beides? Oder ist dies ein Spiel mit Worten, welches das Unbewußte genau darin illustriert, daß die Reichweite des Sinns die gehandhabten Zeichen immer übersteigt? Daß in allem Gesagten Ungesagtes mitschwingt?

Irgendwie bleibt wohl, daß sich das Ich in der Sprache des Unbewußten anders als in seiner imaginären Einheit artikuliert, jenseits von ihr. Und das ist elementar z.B. im Hinblick auf das "Fremde sind wir uns selbst" (Julia Kristeva), im Hinblick auf "das Andere" als Konstante im Horror-Genre (und –Erlebnis), eben auch als internes Anderes, das helfen könnte, externes Anderes leichter zu akzeptieren.

In der Konfrontation mit der Sprache kommt es also zu einer Entfremdung, zu Spaltung und Dezentrierung des Subjekts; die sprachlichen Symbole vermögen nicht, die Totalität von Erfahrung abzudecken und alle Nuancen dessen auszudrücken, was ausgedrückt werden soll. Darum z.B. gibt es bestimmte Romane, die von vornherein dezentriert arbeiten, verschlossene Räume mitschwingen lassen, vergessene Botschaften evozieren und bestimmte Verleger zu der Aussage verleiten, der Autor sagt das Unsagbare. :) 

Gehen wir zum ständigen Bedeutungsgleiten über? :)

















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