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Mittwoch, 8. Mai 2013

Ladislav Klima, Sternenhoch







SPIEGEL ONLINE Forum "Literatur - Was lohnt es noch, zu lesen?"

23.06.2006



Zwischendurch von jenseits der Geschmacksgrenze: nächtens ward ich trunken von Ladislav Klima, "Die Leiden des Fürsten Sternenhoch". Tagsüber fragte ich mich, ob bei mir noch alles stimmt. Ich empfehle das Buch niemandem, las es aber mit Augen groß wie 5 Kopeken. "Grotesk" wäre eine groteske Untertreibung. Bei wikipedia fand ich dies: 

Utrpení knížete Sternenhocha (The Sufferings of Prince Sternenhoch: Prague 1928) is his most famous novel. In a series of journal entries, the book chronicles the descent into madness of Prince Sternenhoch, who moves from the life of a nobleman to a life filled with suffering, eccentricity, bouts of madness and self-torment. Having sunk to the lowest level, he eventually attains an ultimate state of bliss and salvation. 

Das ist aber sehr euphemistisch. Strukturell der "Venus im Pelz" nicht ganz unähnlich (alleszersetzende Beziehung zur "grausamen" Frau), aber dermaßen bizarr und böse, daß man sich fragt, was Klima, eigentlich Philosoph, sich in die Brause gekippt haben mag. Keine Ahnung, wie man sich die Welt vorstellen soll, in der das spielt. Eine burleske Mischung aus verblasener Philosophie und Trash-Horror, am Ende hat man Floria Sigismondi-Ästhetik oder Tool-Videos im Kopf, so haarsträubend, daß kein Kamm das wieder hinkriegt. Zum Schreien. Aber langweilig war's nicht. Wie Lotte Lenya sagt: "Da wird was geboten für sein Geld".













Einen "seltsamen Mann" nannte der tschechische Dichter und Nobelpreisträger Jaroslav Seifert in seinen Erinnerungen "Alle Schönheiten der Welt" den Schriftsteller und Philosophen Ladislav Klíma. Seifert berichtet von einem Treffen in der Weinstube "U Šuterů", das mit dem völligen Besäufnis von Klíma endete.

Volker Strebel, fixpoetry.com




Klima verstand sich niemals als Literat; seine Prosa war nur ein Nebenprodukt seiner Philosophie und diente ihm als Einübung in die spätere "Praxis". Die Qualität der Texte schwankt entsprechend. Er bezeichnete die Art seines Schreibens als "Rotzen auf alles, was bisher Literatur hieß". Stellenweise gelangen ihm faszinierende Texte.
 

Das Verfahren hängt von seiner jeweiligen Verfassung ab. Banalitäten werden transponiert auf eine Metaebene, verklärt zum Nonsens und Dada, Surreales, Träume, Visionen werden eingebaut, es wird entschwebt, erleuchtet, postuliert: "Ludibrionismus" – die Welt als Spiel des freien Willens; "Deoessenz" – das Ich als Gott. Der ganze Schwulst des gotischen Romans, philosophisch verbrämt; aber dann bekommt der eigene Schatten eins in die Fresse, und das dämonische Gespenst, der Tod selbst, sieht aus wie ein Wassermann mit Gelbsucht. Klima arbeitet nicht auf Pointen hin, sie passieren ihm beim Schreiben, wie nebenbei – ein poetischer Mehrwert.
 

1910 notiert er, quasi als Nachwort zu seinem literarischen Schaffen: "Die Form des Romans, wie er bis heute geschrieben wird, ist zu eng. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich eine absolut freie, durch nichts zu bändigende, vom Hohngelächter einer souveränen, göttlichen Skepsis beherrschte Form einfindet." 1928 starb Ladislav Klima mit fünfzig Jahren an Tuberkulose.
 

Seine Werke wurden von Freunden gesammelt: als lose Blätter in den Papierkörben billiger Hotels entdeckt, unter Tischen von Gasthäusern, oft samt deren Verfasser. 

Libuše Moníková, Die Zeit, 1993  
















2 Kommentare:

  1. Uff, das duldet keine Umwege. :) Danke.

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    1. Wiederum erwachte die höllische Wut in mir. Unwillkürlich griff ich mir an den Rock, ob noch der Hammer darunter sei. Im selben Augenblick sprang sie auf, weiß wie Schnee, ihr Gesicht - das entsetzliche Lachen einer Leiche. Ihr Leib schüttelte sich. Während ich daran denke, empfinde ich Mitleid mit ihr. Mit unmenschlicher Stimme rief sie:
      "Teurer Gatte - zum Abschied einen Kuß ..."
      Noch einmal verließ die Wut mein großmütiges Herz. Süß schmolz alles in mir. Und Helga umfing meine Schultern, schon, schon berührten ihre Lippen die meinen - aber es kam nicht dazu. Wie toll sprang sie zur Seite - und etwas schoß ihr aus dem Mund. Sie erbrach sich.
      Aber auch das hätte mich nicht zur Tat getrieben, war ich doch von ihrem Atem himmlisch betäubt … Allein sie schrie gleich darauf mit der schauerlichsten Stimme:
      "Eiter, augenblicklich hinaus, oder ich quetsche dich aus der Welt! Welch dumme Feigheit von mir, daß ich wie eine Sklavin gehorchte! Auch auf ihn gebe ich nichts mehr! Ich werde ich selbst sein, werde ich selbst bleiben, und so werde ich siegen!"

      Leseprobe. Daß mir niemand sagt, ich hätte ihn nicht gewarnt. :)

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